Mit zwei Fällen des Bornavirus sah sich der Bundeststaat Bayern Anfang Juni 2025 konfrontiert. Einer dieser fälle endete dabei tödlich. Doch was genau ist das Bornavirus, wie kann man sich anstecken, was sind die Symptome und wie gefährlich ist es für den Menschen?
Das Bornavirus beim Menschen stellt eine außergewöhnlich tödliche Gefahr dar, mit fast allen bekannten Infektionen, die zum Tod führen. Obwohl dieses Virus bereits seit über 250 Jahren als Krankheitserreger bei Tieren bekannt ist, wurde es erst 2018 als Ursache für schwere Gehirnentzündungen beim Menschen identifiziert.
Seit der Einführung der Meldepflicht am 1. März 2020 hat das Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland bis zu sieben akute Fälle von BoDV-1-Enzephalitis pro Meldejahr registriert, mit insgesamt 55 gemeldeten Infektionen. Die durch das Bornavirus verursachten Symptome beginnen typischerweise mit unspezifischen Beschwerden wie Kopfschmerzen und Fieber, gefolgt von schweren neurologischen Symptomen, die innerhalb von Tagen bis Wochen zum Koma führen können. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass es derzeit keinen Impfstoff gegen das Virus gibt und die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt sind.Die einzige bekannte natürliche Quelle für BoDV-1 ist die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon), die das Virus ausscheiden kann, ohne selbst zu erkranken. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt äußerst selten, wobei das höchste Risiko beim Kontakt mit Feldspitzmäusen oder deren Ausscheidungen besteht.
Was ist das Bornavirus (BoDV-1)?
„Und dieses Virus ist brandgefährlich, in mehr als 90 Prozent der Fälle endet die Infektion tödlich.“ — Wissenschaftler der Human- und Veterinärmedizin, Forschungsteam aus der DACH-Region, Experten für Zoonosen
Das Bornavirus (BoDV-1) gehört zur Familie der Bornaviridae und ist ein behülltes Virus mit einer negativsträngigen RNA. Der Erreger ist nach der sächsischen Stadt Borna benannt, wo 1894 ein ganzer Stall von Kavalleriepferden an einer bis dahin unbekannten Erkrankung litt.
Herkunft und Entdeckung des Bornavirus
Die ersten Beschreibungen der durch BoDV-1 ausgelösten Erkrankung reichen bis ins Jahr 1813 zurück, als die „Hitzige Kopfkrankheit der Pferde“ erstmals dokumentiert wurde. Das Virus selbst wurde jedoch erst in den 1920er Jahren isoliert und in den 1990er Jahren als Negativ-Strang-RNA-Virus klassifiziert. Die wissenschaftliche Bezeichnung des Erregers lautet heute Orthobornavirus bornaense.Bemerkenswert ist das außerordentlich begrenzte Verbreitungsgebiet des BoDV-1, das sich hauptsächlich auf Teile Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtenstein beschränkt. Innerhalb Deutschlands kommt es vorwiegend in Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und teilweise Brandenburg vor.
Unterschied zu anderen Bornaviren
BoDV-1 unterscheidet sich deutlich von anderen Bornaviren wie dem 2015 entdeckten Bunthörnchen-Bornavirus (VSBV-1). Genetisch weisen die beiden Viren eine Unterschiedlichkeit von etwa 30 Prozent auf. Während BoDV-1 die Feldspitzmaus als einzigen bekannten natürlichen Reservoirwirt hat, wurde VSBV-1 in exotischen Hörnchen nachgewiesen.Ein weiterer wichtiger Unterschied: Im Gegensatz zum klassischen Bornavirus, das regional begrenzt auftritt, wurden infizierte Bunthörnchen in Tierbeständen in Deutschland, den Niederlanden und Kroatien gefunden. Dennoch sind beide Viren zoonotisch und können schwere Enzephalitiden beim Menschen verursachen.
Warum ist das Bornavirus für Menschen gefährlich?
Die besondere Gefahr des BoDV-1 für den Menschen liegt in seinem ausgeprägten Neurotropismus. Das bedeutet, dass sich das Virus nahezu ausschließlich im zentralen Nervensystem vermehrt und dort eine schwere Entzündung verursacht. Dabei wird das Gehirngewebe nicht direkt durch das Virus zerstört, sondern durch eine T-Lymphozyten-vermittelte Immunpathogenese – der Körper bekämpft virusinfizierte Zellen und schädigt dabei Neuronen und Gliazellen.Die Erkrankung führt in fast allen Fällen zum Tod – von den bisher 46 laborbestätigten Infektionen entwickelten 45 Patienten eine fulminante Enzephalitis, wobei 44 von ihnen (97,8%) verstarben. Die mediane Überlebenszeit nach Krankenhauseinweisung betrug lediglich 29 Tage. Zudem existiert derzeit weder eine zugelassene antivirale Therapie noch ein Impfstoff gegen das Bornavirus.
Wie wird das Bornavirus übertragen?
„Bei 2 Patienten handelte es sich um Organempfänger, bei denen die Übertragung wahrscheinlich durch Organe eines infizierten Spenders erfolgte.“ — DocCheck Flexikon, Medizinisches Fachlexikon für Gesundheitsberufe
Die Übertragungswege des Bornavirus auf den Menschen sind noch nicht vollständig erforscht, jedoch lassen sich einige zentrale Mechanismen identifizieren.
Rolle der Feldspitzmaus
Die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) ist der bisher einzige bekannte Reservoirwirt des BoDV-1. Diese kleinen Nagetiere leben hauptsächlich auf Brachgebieten, in Steinmauern, unter Hecken oder in Totholzhecken. Bemerkenswert ist, dass sie selbst nicht an der Infektion erkranken. In betroffenen Gebieten ist vermutlich nur eine Minderheit der Feldspitzmäuse Träger des Virus. Im Gegensatz zu anderen Säugetieren kann die Feldspitzmaus das Virus über längere Zeit in sich tragen und weitergeben.
Kontakt mit Ausscheidungen
Infizierte Feldspitzmäuse scheiden das Virus über Kot, Urin, Speichel und die Haut aus. Dadurch kann es auf andere Säugetiere wie Pferde, Schafe, Alpakas und Menschen übertragen werden. Allerdings ist die Übertragung vermutlich sehr ineffizient, weshalb Infektionen selbst in Risikogebieten selten auftreten. Die größte Ansteckungsgefahr besteht beim direkten Kontakt mit Spitzmäusen oder deren Ausscheidungen.
Übertragung durch Staub oder Erde
Neben dem direkten Kontakt zu Feldspitzmäusen könnte eine Übertragung auch durch das Einatmen von virushaltigem Staub erfolgen. Obwohl das Virus nur eingeschränkt umweltstabil ist, kann eine Schmierinfektion über kontaminierte Erde ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Zudem ist die Aufnahme des Virus über verunreinigte Lebensmittel oder Wasser denkbar.
Mögliche Rolle von Haustieren
Obwohl Säugetiere wie Pferde, Schafe oder Alpakas als sogenannte Fehl- oder Sackgassenwirte gelten und das Virus nicht ausscheiden, wird diskutiert, ob Haustiere als passive „Bindeglieder“ fungieren könnten. Besonders Katzen, die Feldspitzmäuse jagen, könnten theoretisch noch infektiöse Geweberückstände an Maul oder Pfoten aufweisen. Da das Virus jedoch nur kurze Zeit außerhalb seines Wirts überleben kann und Katzen sehr reinliche Tiere sind, würde die Infektiosität vermutlich nur wenige Stunden anhalten.
Organtransplantationen als Sonderfall
Der einzige bestätigte Fall einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung des BoDV-1 erfolgte durch Organtransplantation. Dabei wurden Organe eines infizierten Spenders entnommen und mehreren Menschen eingepflanzt, wodurch drei der Transplantatempfänger an der Borna-Krankheit erkrankten. Dieser Übertragungsweg stellt jedoch einen extremen Sonderfall dar. Eine natürliche Übertragung von Mensch zu Mensch gilt als sehr unwahrscheinlich und wurde bisher nicht dokumentiert.
Bornavirus Symptome und Krankheitsverlauf
Nach einer Inkubationszeit von drei bis vier Monaten beginnt die Bornavirus-Infektion mit unspezifischen Beschwerden, die zunächst harmlos erscheinen, jedoch schnell einen dramatischen Verlauf nehmen können.
Frühe Anzeichen: Fieber, Kopfschmerzen
Die ersten Symptome einer Bornavirus-Infektion ähneln einer gewöhnlichen Grippe. Betroffene klagen über Kopfschmerzen, Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Diese frühen Anzeichen sind leicht zu übersehen oder mit anderen Erkrankungen zu verwechseln. Bemerkenswert ist, dass zwischen der eigentlichen Infektion und dem Auftreten dieser ersten Symptome mehrere Wochen bis Monate vergehen können. Diese lange Inkubationszeit erschwert die frühzeitige Diagnose erheblich.
Neurologische Störungen
Innerhalb weniger Tage nach den ersten Symptomen treten neurologische Beschwerden auf. Dazu gehören Verhaltensauffälligkeiten sowie Sprach- und Gangstörungen. Diese neurologischen Symptome entstehen dadurch, dass sich das Virus im zentralen Nervensystem vermehrt. In fortgeschrittenen Stadien können zusätzlich Myoklonien (unwillkürliche Muskelzuckungen), Bulbusdeviationen (Augenbewegungsstörungen), Ataxie (Koordinationsstörungen) und epileptische Anfälle auftreten.
Koma und tödlicher Verlauf
Im weiteren Krankheitsverlauf entwickeln die Patienten eine schwere Enzephalitis (Gehirnentzündung). Daraufhin fallen die Betroffenen innerhalb weniger Tage oder Wochen ins Koma. Unbehandelt verläuft die Borna'sche Krankheit fast immer tödlich. Bis auf bisher vier Erkrankungsfälle, die teilweise mit schwersten Folgeschäden überlebten, verstarben alle bekannten Fälle an der BoDV-1 Infektion. Die mediane Überlebenszeit nach Krankenhauseinweisung beträgt lediglich 29 Tage.
Unterschiede bei Kindern und ErwachsenenDie Symptome unterscheiden sich je nach Alter der Betroffenen. Bei Kindern wurden vorwiegend Ess- und Schluckstörungen beobachtet, während im späteren Alter Gang- und Konzentrationsstörungen typisch sind. Erwachsene Patienten leiden außerdem häufig unter psychischen Beschwerden, besonders Depressionen. Interessanterweise sind bisher keine Infektionsfälle bei Säuglingen und Kleinkindern bekannt. Allerdings bleibt unklar, ob Kinder tatsächlich anfälliger für die Infektion sind oder ob die beobachteten Fälle lediglich zufällige Häufungen darstellen.
Wie kann man sich vor dem Bornavirus schützen?
Da das Bornavirus oft tödlich verläuft und keine spezifische Therapie existiert, ist Prävention der wichtigste Schutzfaktor. Die Infektionswahrscheinlichkeit ist zwar insgesamt gering, aber in Endemiegebieten höher.
Vermeidung von Kontakt mit Spitzmäusen
Der wichtigste Schutz besteht darin, jeglichen Kontakt mit Feldspitzmäusen und deren Ausscheidungen zu vermeiden. Werden Spitzmäuse im häuslichen Umfeld entdeckt, sollte man deren Nahrungsquellen ausfindig machen und beseitigen. Spitzmäuse werden besonders von Hunde- und Katzenfutter angezogen, das im Außenbereich steht. Darüber hinaus bieten Komposthaufen und andere gelagerte Abfälle mit ihrem Insektenreichtum ideale Nahrungsquellen für diese Tiere.
Sichere Entsorgung toter Tiere
Beim Umgang mit toten Tieren, insbesondere Spitzmäusen, sind folgende Schritte zu beachten:
- Stets Einmalhandschuhe und eine FFP2– oder FFP3-Maske tragen
- Den Kadaver vor der Entsorgung mit handelsüblichem Reinigungsmittel besprühen, um virushaltige Staubaufwirbelung zu verhindern
- Die tote Spitzmaus mit einer über die Hand gestülpten Plastiktüte aufnehmen, verschließen und im Hausmüll entsorgen
Hygienemaßnahmen bei Reinigungsarbeiten
Bei Reinigungsarbeiten in potenziell kontaminierten Bereichen wie Schuppen oder Gartenhäusern sollte ebenfalls Schutzausrüstung getragen werden. Nach staubigen Arbeiten empfiehlt das Robert Koch-Institut, sofort zu duschen (einschließlich Haarewaschens) und die benutzte Kleidung umgehend zu waschen. Kontaminierte Flächen sollten gründlich mit Haushaltsreiniger gesäubert werden.
Verhalten bei Haustierkontakt
Obwohl Katzen sich in seltenen Fällen mit dem Bornavirus infizieren können, scheiden sie das Virus selbst nicht aus und sind damit nicht ansteckend. Allerdings könnten sie als „Bindeglieder“ fungieren. Hat eine Katze eine Spitzmaus gefangen, sollte vorsichtshalber für einige Stunden der direkte Kontakt (Streicheln, Schmusen) vermieden werden, da theoretisch noch infektiöse Geweberückstände an Maul oder Pfoten haften könnten.
Keine Impfung verfügbar – was tun?Bislang steht weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie gegen Bornavirus-Infektionen zur Verfügung. Außerdem existiert kein Labortest, mit dem eine BoDV-1-Infektion nachgewiesen werden kann, bevor schwere neurologische Symptome auftreten. Folglich bleibt die Prävention der wichtigste Schutz. In Endemiegebieten gilt: Das Leben auf dem Land in der Nähe der Natur ist deutlich risikobehafteter als das Leben in der Stadt, obwohl das Infektionsrisiko insgesamt sehr gering bleibt.
Schlussfolgerung
Abschließend lässt sich feststellen, dass das Bornavirus trotz seiner regionalen Begrenzung eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr darstellt. Besonders die extrem hohe Sterblichkeitsrate von nahezu 98 Prozent macht diesen Erreger zu einem der gefährlichsten Viren für den Menschen. Die Feldspitzmaus als einziger bekannter natürlicher Reservoirwirt spielt dabei eine entscheidende Rolle im Übertragungsgeschehen.
Obwohl das Infektionsrisiko insgesamt gering bleibt, sollten Menschen in den betroffenen Endemiegebieten Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen. Angesichts fehlender Therapiemöglichkeiten und mangels eines Impfstoffs ist die Prävention zweifellos der wichtigste Schutzfaktor. Daher empfiehlt sich dringend, jeden Kontakt mit Feldspitzmäusen oder deren Ausscheidungen zu vermeiden.
Menschen mit neurologischen Symptomen nach vorangegangenen unspezifischen Beschwerden wie Fieber und Kopfschmerzen sollten außerdem umgehend ärztliche Hilfe suchen, besonders wenn sie in bekannten Risikogebieten leben. Die Früherkennung kann zwar keine Heilung garantieren, jedoch möglicherweise den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Forschung zu diesem tödlichen Virus weiterhin voranschreitet. Wissenschaftler arbeiten daran, Übertragungswege besser zu verstehen und potenzielle Behandlungsmethoden zu entwickeln. Bis dahin bleibt jedoch die Wachsamkeit und konsequente Einhaltung von Schutzmaßnahmen der beste Weg, um das Risiko einer Bornavirus-Infektion zu minimieren.